Ahoi!
Im SEEKAJAK, Nr. 147/2016, S.40-41, nimmt Bernhard Hillejan, der Ausbildungsleiter der SaU, eine vergleichende Bewertung von den folgenden Kurshalte- bzw. Steuerungstechniken vor:
• versenkbaren Skeg,
• versenkbares Steuer („Ruder“))
• angebauten Heck(um/hoch)klapp-Steuer („Ruder“)
Anlass dafür war der Beitrag „SaU quo vadis?“ von Benno Glock (erschienen in: SK 146/16, S.5), in dem moniert wurde, dass bei diversen Veranstaltungen der SaU Kanuten, deren Seekajaks mit angebautem Steuerblatt (hier: Heckumklapp- bzw. Heckhochklapp-Steuer) ausgerüstet sind, nicht zugelassen werden.
Bernhard Hillejan versucht in einer tabellarischen Gegenüberstellung die Vor- und Nachteile dieser drei „Kurshalte-„ bzw. „Steuerungsvarianten“ aufzuführen, wobei auf die Vorteile eines Steuerblatts nicht eingegangen wird. Drei Beurteilungskriterien legt er dabei zugrunde:
1. Beurteilung der Funktion,
2. Beurteilung der Eignung bei Gruppenfahrten,
3. Beurteilung des Einflusses auf das Lernen & Entwickeln von Paddeltechniken.
Leider versäumt er es, eine vierte Kurshalte-Variante mit aufzuführen, nämlich die:
• „Unten-Ohne“-Variante,
d.h. der Verzicht auf jegliches Skeg bzw. Steuer, der durchaus von einigen sehr erfahrenen Seakayakern präferiert wird; denn mit solch einem Seekajak zu paddeln, das ist „Sea Kayaking Pure“, bei dem nichts, höchstens der Kanute kaputt gehen kann, …. und bei dem sich sehr schnell herauskristallisiert, ob ein Kanute eine echter Seakayaker ist oder bloß ein die Abgeschiedenheit suchender „Küstenkanuschlenderer“!?
Vom Skeg zum Steuer
Das verstellbare, im Heck versenkbare Skeg ist der erste Schritt weg vom „puren“ Seakayaking. Die Briten waren einst die ersten, die es in ihre Seekajaks einbauten. Es sollte das Seakayaken etwas komfortabler machen, d.h. mit ihm wollten sie die Luv- bzw. Leegierigkeit eines nicht richtig getrimmten Seekajaks in den Griff zu bekommen.
Zuvor wurde mit starren Skegs (Flossen) experimentiert (zu denken ist an den „Nordkapp HM“ von VALLEY; aber auch an den kleinen „Godthab“ von LETTMANN), was zu wie auf Schienen fahrenden Seekajaks führte … wehe aber, wenn die Schiene eine leicht Biegung machte; denn dann kurvten solche Seekajaks einfach hinterher.
Mit diesem versenkbaren Skeg waren die Briten lange Zeit zufrieden; denn auf Grund der Nähe des Briten zum Meer machten sie überwiegend nur Tagestouren oder spielten sogar nur in den Tidalraces. Nach solchen Touren hatten die Briten dann genügend Zeit, sich zu Hause wieder von den Strapazen, ein Skeg-Seekajak gepaddelt zu haben, zu erholen. Richtig gelesen: Das Paddeln in einem Skeg-Seekajak ist anspruchsvoller, wir können auch „sportlicher“ sagen, aber das ist gewollt. - Natürlich paddelten die Briten mit Skeg-Seekajaks auch längere Touren gepaddelt, letztlich weil ihnen anfänglich keine geeigneteren Seekajaks zur Verfügung standen!?
In Deutschland fand demgegenüber eine andere Entwicklung in Sachen Großgewässerpaddeln statt. Aufgrund der meist größeren Entfernungen zwischen Wohnort und z.B. Küste wurden weniger „Spritztouren“, sondern überwiegend Wandertouren mit Gepäck (Übernachtungsgepäck & Verpflegung) unternommen. Tagtäglich wurden –zig Kilometer Strecke gepaddelt. Die Brandung wurde möglichst auf dem kürzesten Weg durchfahren und nicht zum „Spielen“ genutzt. Da die mitgeführte Ausrüstung, welche teilweise auch auf Deck verstaute wurde, meist dazu führte, dass ihre Kajaks (=> „Langeiner“ bzw. „Eskis“) vertrimmt waren, und weil es keinen Grund gab, das bei den Faltbooten bewährte „Heckhochklappsteuerblatt“ nicht einzusetzen, ging man lange Zeit in Deutschland überwiegend mit Steuer auf Tour. Das taten übrigens schon früher auch jene Briten, die Gefallen an dem „Long Distance Kayaking“ fanden. Sie sägten dafür extra ein Stück vom Heck ihres Seekajaks ab und schraubten dann dort ein Steuer („Rudder“) dran, welches wegen seiner tieferen Position recht effektiv funktionierte.
„Player“ vs. „Tourer“
Und jetzt? Nachdem für das Spielen in den Tidalraces und in der Brandung extra Seekajaks entwickelt wurden (sog. „Player“) (z.B. „Hammer“, „Delphin“, „Aries“ von P&H, „Extra“ von TIDERACE, „Gemini“ von VALLEY), die kürzer sind und über mehr Kielsprung verfügen, entwickelten die Briten für jene, die zusätzlich auch Gefallen am Streckepaddeln haben, extra Seekajaks (sog. „Tourer“) (z.B. „18X Sport“ von EPIC, „Inuk“ von KIRTON, „Freya 18“ von POINT 65°N, „Taran 18“ von ROCKPOOL, „Rapier 18“ von VALLEY; „Pace 18“ von TIDERACE), die etwas länger sind und über weniger Kielsprung verfügen sowie über ein Steuer, das einen ermöglicht, mit weniger Kraftaufwand Strecke zu paddeln und Kurs zu halten. Da es sich bei diesen „Langeinern“ meist um ein „Zweitseekajak“ handelt, mit dem nicht in Tidalraces bzw. in der Brandung „gespielt“ wird, hat bislang auch kaum einer Anstoß daran genommen, dass diese Seekajak meist mit einer angebauten Heckhochklappsteueranlage ausgerüstet werden, die nicht „brandungstüchtig“ ist.
Jürgen Pietsch
Übrigens, der Nordfriese Jürgen Pietsch hat die Idee des Steuers Anfang der 80er Jahr weiterentwickelt und perfektioniert; denn er konnte damals noch nicht ahnen, dass es auch bei Seekajaks ein Trend zum „Zweitseekajak“ kommen könnte. Er ging davon aus – und das gilt für Deutschland auch heute noch, sofern wir nicht direkt an der Küste wohnen - das ein Seekajak stets ein „Allroundseekajak“ sein wird, mit dem wir „Spielen“ und „Touren“. Er hatte erkannt, dass die traditionellen „Klappsteueranlagen“:
• weniger effektiv sind, weil bei Seegang vom Steuerblatt mehr ober- als unterhalb der Wasserlinie hängt;
• beschädigungsanfälliger sind, weil bei Seegang (=> Surfen, Brandung) das Steuerblatt sich verbiegen und sogar abbrechen kann;
• zur Luvgierigkeit führen, wenn das Steuerblatt hochgezogen wird (=> Anlandeprobleme);
• im Falle einer Kenterung Probleme mit dem Steuerblatt haben (=> löst sich aus der Halterung);
• bei Rettungsaktionen zu Personen- bzw. Sachschäden führen kann!
Heraus kam die Steueranlage mit dem sog. „integrierten“ Steuerblatt, also einem Steuerblatt, welches im hochgezogenen Zustand im Unterschiff, wo das Steuer am effektivsten funktioniert, versenkt wird. Auf diese Weise gelang ihm ein Steuer, mit dem man in einzigartiger Weise bei Wind & Welle gleichermaßen Kurs halten also auch Kursänderungen vornehmen kann. Klaus Lettmann hatte übrigens diese Idee aufgegriffen und für seine Seekajaks weiterentwickelt.
Seitdem herrschte mehrere Jahrzehnte Stillstand bei der Entwicklung versenkbarer Steuer. Erst in jetzigen Jahrzehnt haben die Briten die Effektivität eines solchen versenkbaren Steuerblatts erkannt haben. Sie entwickelten das versenkbare Skeg insoweit weiter, als es auch drehbar gemacht wurde. Herausgekommen ist dabei ein Skeg, welches im herausgezogenen Zustand zugleich ein Steuer (engl.: „Rudder“) ist. Es ist naheliegend, eine solche Steueranlage „Skudder“ zu nennen. Wir finden dieses Skudder z.B. bei britischen Seekajaks von VENTURE und P&H sowie neuerdings auch bei LETTMANN (z.B. bei der „Biskaya“-Serie).
Das Skeg, ein "Markenzeichen" der SaU
Der lange Rede kurzer Sinn: Die 1985 gegründet Salzwasserunion (SaU) orientierte sich von Anfang an sehr am von den Briten betriebenen „Sea Kayaking“. Das trifft insbesondere für den großen Teil jener Mitglieder zu, denen das Faltbootpaddeln mit Steuer, Rückenlehne und Schlafsack als Sitzkissen allzu altbacken vorkam. Kein Wunder: Von den schlanken GFK-Seekajaks, die mit purer Paddeltechnik dirigiert wurden und aus denen man nicht herausfiel, wenn man kenterte, sondern einfach wieder hoch rollte, ging schon eine Faszination aus, …. die auch heute noch anhält … und manchmal dazu beiträgt, dass Außenstehende denken, diese SäUe da seien doch arg arrogant!
Insofern kann ich es verstehen, dass Benno Block sich in seinem Beitrag daran stört, dass nicht bei jeder SaU-Veranstaltung Kajaks mit Klappsteuer willkommen sind. Bernhard Hillejan versucht das zu rechtfertigen und führt dafür diverse Gründe auf:
(a) Sicherheit: Steueranlagen können
1. durch Verschleiß bzw. Überbeanspruchung (z.B. Brandung) funktionsuntüchtig werden;
2. bei Kontakt mit Dritten zu Personen- bzw. Sachschäden führen;
3. nach einer Kenterung den Ausstieg bzw. Wiedereinstieg behindern;
4. beim Schleppen die Schleppleinenführung erschweren.
(b) Paddeltechnik: Steueranlagen verhindern, dass wir eine effektive Paddeltechnik (=> Bug-/Heckruder, Bogenschläge; An-/Wegkanten) erlernen, die wir aber brauchen, wenn die Gewässerbedingungen schwieriger werden.
Auch diese Gründe kann ich verstehen. Neben einem Skeg-Seekajak und einem alten Abfahrtsboot („ohne alles“) fahre ich ebenfalls ein Seekajak mit versenkbarem Steuerblatt. Im Laufe der Jahrzehnte, die ich paddle, ist an meiner Steueranlage eigentlich schon alles kaputt gegangen: die Steuerseile rissen, die Pedalen verrutschten beim Seegang bzw. brachen von der Halterung ab, das Steuerblatt verbog sich oder löste sich vom Steuerkopf bzw. verdrehte sich bei einer Kenterung in der Brandung um 270° usw. usf. Trotzdem bin ich bei meinem Steuer-Seekajak geblieben, letztlich weil ich damit recht komfortabel auf Tour gehen kann. Dank des Steuers bin ich imstande:
• beim Streckepaddeln bzw. Surfen mühelos Kurs halten!
• mühelos den Kurs zu ändern, um z.B. einen gefährlich aufsteilenden Brecher von vorne zu nehmen oder um einer drohenden Kollision schnell auszuweichen!
• allein mit meinem Segelschirm Fahrt machen zu können!
Mein Skeg-Seekajak habe ich jedoch in der Zwischenzeit abgegeben; denn für einmal im Jahr Brandungsübungen zu machen, dafür brauche ich eigentlich kein zweites Seekajak.
Ich habe auch Verständnis für die Ausbilder und Fahrtenleiter der SaU, die nur Kanuten mitnehmen, die über ein Skeg-Seekajak verfügen. M.E. ist es nicht zumutbar, von ehrenamtlich tätigen Ausbildern bzw. Fahrtenleitern zu verlangen, gegen ihren Willen und gegen ihre Überzeugung Kanuten mit am Heck angebauten Steueranlagen mitnehmen zu müssen. Wem das nicht behagt, möge selber Ausbilder bzw. Fahrtenleiter werden und sich dann den Steuerpaddlern anbieten.
… und ich?
Ich selber, einst Fahrtenleiter und Ausbilder bei der SaU, bin zurzeit beim Hamburger Kanu-Verband Referent für Küstenkanuwandern. In dieser Eigenschaft biete ich Kurse und Fahrten an. Ich freue mich über jeden Teilnehmer meiner Veranstaltungen, der mit einem Skeg-Seekajak ankommt. Am meisten graust es mich vor Kanuten mit Seekajaks, die lediglich über eine hinten angebaute Steueranlage verfügen, dessen Steuerblatt sich nur hoch, aber nicht umklappen lässt … oder mit nicht senkbaren Flossensteueranlagen. Wie kriege ich einen solchen Kanuten nur zurück ans Festland, wenn z.B. in der Brandung mit Grundberührung (z.B. Rückwärstsurf beim Start durch die Brandung) das Steuerblatt abgerissen wird? Auch tut mir manchmal mein eigenes Seekajak leid ob der unweigerlich „eingefangen“ Kratzer, wenn nach der Kenterung eines Kanuten mit einem Seekajak mit Heckklappsteueranlage mal wieder ich es bin, der Hilfestellung leisten muss, weil gerade kein Mitpaddler mit einem ebensolchen Seekajak als „Retter“ bereit steht.
Aber wer bildet dermaßen ausgerüstete Kanuten, die erst am Anfang ihrer „Seakayaker-Karriere“ stehen, sonst aus wenn nicht der DKV oder die SaU? Können wir denn wirklich von diesen „Seeanfängern“ verlangen, schon bei einer Einweisungsfahrt (zum Erwerb von EPP 3 Küste oder dem A-Schein) vollkommen ausgerüstet zu sein? Oder anders ausgedrückt: Können die „Seeanfänger“ von den Ausbildern bzw. Fahrtenleitern egal welcher Vereinigung verlangen, hinaus aufs Meer mitgenommen zu werden, auch wenn sie und ihr Kajak nur bedingt „seetüchtig“ sind?
Ich persönlich lasse solche „Seeanfänger“ (nicht jedoch Paddelanfänger) auf meinen Touren zu, auch wenn ihr Seekajak mit einer am Heck angebauten Steueranlage ausgerüstet ist, sofern sie neben einigen Ausrüstungsbedingungen (z.B. doppelte Abschottung, Schwimmweste, u.U. Schutzhelm, mind. Bugtoggle, griffige Rettungshalteleinen, Lenzpumpe, Nicosignal o. Rauchsignal, auf Deck montierter Kompass, auf Deck gelagerte Seekarte, u.U. Lesebrille, u.U. Kälteschutzj) u.a. die folgenden Bedingungen erfüllen:
• Teilnahme an einem 2-tägigen Workshop inkl. Rettungs- und Seitwärtssurfübungen im Hallenbad,
• Teilnahme an 2-tägigen Brandungsübungen,
• ca. 100 Paddel-Kilometer in den letzten 6 Wochen.
Bislang ist bei meinen seit 30 Jahren angebotenen Veranstaltungen kein anderer Mitpaddler durch diese „Tretbootfahrer“ zu Schaden gekommen. Vielleicht würde ich aber anders denken, wenn ein Schadensfall mal einträte und ich dann letztlich als Ausbilder/Fahrtenleiter zur Verantwortung gezogen werde, z.B. weil die Mitpaddler ja nicht ahnen konnten, welch „höhere Gewalt“ vom Wind oder von einer Brandungswelle ausgehen kann, oder weil ich einer Mitpaddlerin nicht deutlich genug darauf aufmerksam gemacht hatte, wie wichtig es ist, dass sie mit ihren Füßen auch die Steuerpedalen erreicht …
Gruß aus Hamburg: Udo Beier
Im SEEKAJAK, Nr. 147/2016, S.40-41, nimmt Bernhard Hillejan, der Ausbildungsleiter der SaU, eine vergleichende Bewertung von den folgenden Kurshalte- bzw. Steuerungstechniken vor:
• versenkbaren Skeg,
• versenkbares Steuer („Ruder“))
• angebauten Heck(um/hoch)klapp-Steuer („Ruder“)
Anlass dafür war der Beitrag „SaU quo vadis?“ von Benno Glock (erschienen in: SK 146/16, S.5), in dem moniert wurde, dass bei diversen Veranstaltungen der SaU Kanuten, deren Seekajaks mit angebautem Steuerblatt (hier: Heckumklapp- bzw. Heckhochklapp-Steuer) ausgerüstet sind, nicht zugelassen werden.
Bernhard Hillejan versucht in einer tabellarischen Gegenüberstellung die Vor- und Nachteile dieser drei „Kurshalte-„ bzw. „Steuerungsvarianten“ aufzuführen, wobei auf die Vorteile eines Steuerblatts nicht eingegangen wird. Drei Beurteilungskriterien legt er dabei zugrunde:
1. Beurteilung der Funktion,
2. Beurteilung der Eignung bei Gruppenfahrten,
3. Beurteilung des Einflusses auf das Lernen & Entwickeln von Paddeltechniken.
Leider versäumt er es, eine vierte Kurshalte-Variante mit aufzuführen, nämlich die:
• „Unten-Ohne“-Variante,
d.h. der Verzicht auf jegliches Skeg bzw. Steuer, der durchaus von einigen sehr erfahrenen Seakayakern präferiert wird; denn mit solch einem Seekajak zu paddeln, das ist „Sea Kayaking Pure“, bei dem nichts, höchstens der Kanute kaputt gehen kann, …. und bei dem sich sehr schnell herauskristallisiert, ob ein Kanute eine echter Seakayaker ist oder bloß ein die Abgeschiedenheit suchender „Küstenkanuschlenderer“!?
Vom Skeg zum Steuer
Das verstellbare, im Heck versenkbare Skeg ist der erste Schritt weg vom „puren“ Seakayaking. Die Briten waren einst die ersten, die es in ihre Seekajaks einbauten. Es sollte das Seakayaken etwas komfortabler machen, d.h. mit ihm wollten sie die Luv- bzw. Leegierigkeit eines nicht richtig getrimmten Seekajaks in den Griff zu bekommen.
Zuvor wurde mit starren Skegs (Flossen) experimentiert (zu denken ist an den „Nordkapp HM“ von VALLEY; aber auch an den kleinen „Godthab“ von LETTMANN), was zu wie auf Schienen fahrenden Seekajaks führte … wehe aber, wenn die Schiene eine leicht Biegung machte; denn dann kurvten solche Seekajaks einfach hinterher.
Mit diesem versenkbaren Skeg waren die Briten lange Zeit zufrieden; denn auf Grund der Nähe des Briten zum Meer machten sie überwiegend nur Tagestouren oder spielten sogar nur in den Tidalraces. Nach solchen Touren hatten die Briten dann genügend Zeit, sich zu Hause wieder von den Strapazen, ein Skeg-Seekajak gepaddelt zu haben, zu erholen. Richtig gelesen: Das Paddeln in einem Skeg-Seekajak ist anspruchsvoller, wir können auch „sportlicher“ sagen, aber das ist gewollt. - Natürlich paddelten die Briten mit Skeg-Seekajaks auch längere Touren gepaddelt, letztlich weil ihnen anfänglich keine geeigneteren Seekajaks zur Verfügung standen!?
In Deutschland fand demgegenüber eine andere Entwicklung in Sachen Großgewässerpaddeln statt. Aufgrund der meist größeren Entfernungen zwischen Wohnort und z.B. Küste wurden weniger „Spritztouren“, sondern überwiegend Wandertouren mit Gepäck (Übernachtungsgepäck & Verpflegung) unternommen. Tagtäglich wurden –zig Kilometer Strecke gepaddelt. Die Brandung wurde möglichst auf dem kürzesten Weg durchfahren und nicht zum „Spielen“ genutzt. Da die mitgeführte Ausrüstung, welche teilweise auch auf Deck verstaute wurde, meist dazu führte, dass ihre Kajaks (=> „Langeiner“ bzw. „Eskis“) vertrimmt waren, und weil es keinen Grund gab, das bei den Faltbooten bewährte „Heckhochklappsteuerblatt“ nicht einzusetzen, ging man lange Zeit in Deutschland überwiegend mit Steuer auf Tour. Das taten übrigens schon früher auch jene Briten, die Gefallen an dem „Long Distance Kayaking“ fanden. Sie sägten dafür extra ein Stück vom Heck ihres Seekajaks ab und schraubten dann dort ein Steuer („Rudder“) dran, welches wegen seiner tieferen Position recht effektiv funktionierte.
„Player“ vs. „Tourer“
Und jetzt? Nachdem für das Spielen in den Tidalraces und in der Brandung extra Seekajaks entwickelt wurden (sog. „Player“) (z.B. „Hammer“, „Delphin“, „Aries“ von P&H, „Extra“ von TIDERACE, „Gemini“ von VALLEY), die kürzer sind und über mehr Kielsprung verfügen, entwickelten die Briten für jene, die zusätzlich auch Gefallen am Streckepaddeln haben, extra Seekajaks (sog. „Tourer“) (z.B. „18X Sport“ von EPIC, „Inuk“ von KIRTON, „Freya 18“ von POINT 65°N, „Taran 18“ von ROCKPOOL, „Rapier 18“ von VALLEY; „Pace 18“ von TIDERACE), die etwas länger sind und über weniger Kielsprung verfügen sowie über ein Steuer, das einen ermöglicht, mit weniger Kraftaufwand Strecke zu paddeln und Kurs zu halten. Da es sich bei diesen „Langeinern“ meist um ein „Zweitseekajak“ handelt, mit dem nicht in Tidalraces bzw. in der Brandung „gespielt“ wird, hat bislang auch kaum einer Anstoß daran genommen, dass diese Seekajak meist mit einer angebauten Heckhochklappsteueranlage ausgerüstet werden, die nicht „brandungstüchtig“ ist.
Jürgen Pietsch
Übrigens, der Nordfriese Jürgen Pietsch hat die Idee des Steuers Anfang der 80er Jahr weiterentwickelt und perfektioniert; denn er konnte damals noch nicht ahnen, dass es auch bei Seekajaks ein Trend zum „Zweitseekajak“ kommen könnte. Er ging davon aus – und das gilt für Deutschland auch heute noch, sofern wir nicht direkt an der Küste wohnen - das ein Seekajak stets ein „Allroundseekajak“ sein wird, mit dem wir „Spielen“ und „Touren“. Er hatte erkannt, dass die traditionellen „Klappsteueranlagen“:
• weniger effektiv sind, weil bei Seegang vom Steuerblatt mehr ober- als unterhalb der Wasserlinie hängt;
• beschädigungsanfälliger sind, weil bei Seegang (=> Surfen, Brandung) das Steuerblatt sich verbiegen und sogar abbrechen kann;
• zur Luvgierigkeit führen, wenn das Steuerblatt hochgezogen wird (=> Anlandeprobleme);
• im Falle einer Kenterung Probleme mit dem Steuerblatt haben (=> löst sich aus der Halterung);
• bei Rettungsaktionen zu Personen- bzw. Sachschäden führen kann!
Heraus kam die Steueranlage mit dem sog. „integrierten“ Steuerblatt, also einem Steuerblatt, welches im hochgezogenen Zustand im Unterschiff, wo das Steuer am effektivsten funktioniert, versenkt wird. Auf diese Weise gelang ihm ein Steuer, mit dem man in einzigartiger Weise bei Wind & Welle gleichermaßen Kurs halten also auch Kursänderungen vornehmen kann. Klaus Lettmann hatte übrigens diese Idee aufgegriffen und für seine Seekajaks weiterentwickelt.
Seitdem herrschte mehrere Jahrzehnte Stillstand bei der Entwicklung versenkbarer Steuer. Erst in jetzigen Jahrzehnt haben die Briten die Effektivität eines solchen versenkbaren Steuerblatts erkannt haben. Sie entwickelten das versenkbare Skeg insoweit weiter, als es auch drehbar gemacht wurde. Herausgekommen ist dabei ein Skeg, welches im herausgezogenen Zustand zugleich ein Steuer (engl.: „Rudder“) ist. Es ist naheliegend, eine solche Steueranlage „Skudder“ zu nennen. Wir finden dieses Skudder z.B. bei britischen Seekajaks von VENTURE und P&H sowie neuerdings auch bei LETTMANN (z.B. bei der „Biskaya“-Serie).
Das Skeg, ein "Markenzeichen" der SaU
Der lange Rede kurzer Sinn: Die 1985 gegründet Salzwasserunion (SaU) orientierte sich von Anfang an sehr am von den Briten betriebenen „Sea Kayaking“. Das trifft insbesondere für den großen Teil jener Mitglieder zu, denen das Faltbootpaddeln mit Steuer, Rückenlehne und Schlafsack als Sitzkissen allzu altbacken vorkam. Kein Wunder: Von den schlanken GFK-Seekajaks, die mit purer Paddeltechnik dirigiert wurden und aus denen man nicht herausfiel, wenn man kenterte, sondern einfach wieder hoch rollte, ging schon eine Faszination aus, …. die auch heute noch anhält … und manchmal dazu beiträgt, dass Außenstehende denken, diese SäUe da seien doch arg arrogant!
Insofern kann ich es verstehen, dass Benno Block sich in seinem Beitrag daran stört, dass nicht bei jeder SaU-Veranstaltung Kajaks mit Klappsteuer willkommen sind. Bernhard Hillejan versucht das zu rechtfertigen und führt dafür diverse Gründe auf:
(a) Sicherheit: Steueranlagen können
1. durch Verschleiß bzw. Überbeanspruchung (z.B. Brandung) funktionsuntüchtig werden;
2. bei Kontakt mit Dritten zu Personen- bzw. Sachschäden führen;
3. nach einer Kenterung den Ausstieg bzw. Wiedereinstieg behindern;
4. beim Schleppen die Schleppleinenführung erschweren.
(b) Paddeltechnik: Steueranlagen verhindern, dass wir eine effektive Paddeltechnik (=> Bug-/Heckruder, Bogenschläge; An-/Wegkanten) erlernen, die wir aber brauchen, wenn die Gewässerbedingungen schwieriger werden.
Auch diese Gründe kann ich verstehen. Neben einem Skeg-Seekajak und einem alten Abfahrtsboot („ohne alles“) fahre ich ebenfalls ein Seekajak mit versenkbarem Steuerblatt. Im Laufe der Jahrzehnte, die ich paddle, ist an meiner Steueranlage eigentlich schon alles kaputt gegangen: die Steuerseile rissen, die Pedalen verrutschten beim Seegang bzw. brachen von der Halterung ab, das Steuerblatt verbog sich oder löste sich vom Steuerkopf bzw. verdrehte sich bei einer Kenterung in der Brandung um 270° usw. usf. Trotzdem bin ich bei meinem Steuer-Seekajak geblieben, letztlich weil ich damit recht komfortabel auf Tour gehen kann. Dank des Steuers bin ich imstande:
• beim Streckepaddeln bzw. Surfen mühelos Kurs halten!
• mühelos den Kurs zu ändern, um z.B. einen gefährlich aufsteilenden Brecher von vorne zu nehmen oder um einer drohenden Kollision schnell auszuweichen!
• allein mit meinem Segelschirm Fahrt machen zu können!
Mein Skeg-Seekajak habe ich jedoch in der Zwischenzeit abgegeben; denn für einmal im Jahr Brandungsübungen zu machen, dafür brauche ich eigentlich kein zweites Seekajak.
Ich habe auch Verständnis für die Ausbilder und Fahrtenleiter der SaU, die nur Kanuten mitnehmen, die über ein Skeg-Seekajak verfügen. M.E. ist es nicht zumutbar, von ehrenamtlich tätigen Ausbildern bzw. Fahrtenleitern zu verlangen, gegen ihren Willen und gegen ihre Überzeugung Kanuten mit am Heck angebauten Steueranlagen mitnehmen zu müssen. Wem das nicht behagt, möge selber Ausbilder bzw. Fahrtenleiter werden und sich dann den Steuerpaddlern anbieten.
… und ich?
Ich selber, einst Fahrtenleiter und Ausbilder bei der SaU, bin zurzeit beim Hamburger Kanu-Verband Referent für Küstenkanuwandern. In dieser Eigenschaft biete ich Kurse und Fahrten an. Ich freue mich über jeden Teilnehmer meiner Veranstaltungen, der mit einem Skeg-Seekajak ankommt. Am meisten graust es mich vor Kanuten mit Seekajaks, die lediglich über eine hinten angebaute Steueranlage verfügen, dessen Steuerblatt sich nur hoch, aber nicht umklappen lässt … oder mit nicht senkbaren Flossensteueranlagen. Wie kriege ich einen solchen Kanuten nur zurück ans Festland, wenn z.B. in der Brandung mit Grundberührung (z.B. Rückwärstsurf beim Start durch die Brandung) das Steuerblatt abgerissen wird? Auch tut mir manchmal mein eigenes Seekajak leid ob der unweigerlich „eingefangen“ Kratzer, wenn nach der Kenterung eines Kanuten mit einem Seekajak mit Heckklappsteueranlage mal wieder ich es bin, der Hilfestellung leisten muss, weil gerade kein Mitpaddler mit einem ebensolchen Seekajak als „Retter“ bereit steht.
Aber wer bildet dermaßen ausgerüstete Kanuten, die erst am Anfang ihrer „Seakayaker-Karriere“ stehen, sonst aus wenn nicht der DKV oder die SaU? Können wir denn wirklich von diesen „Seeanfängern“ verlangen, schon bei einer Einweisungsfahrt (zum Erwerb von EPP 3 Küste oder dem A-Schein) vollkommen ausgerüstet zu sein? Oder anders ausgedrückt: Können die „Seeanfänger“ von den Ausbildern bzw. Fahrtenleitern egal welcher Vereinigung verlangen, hinaus aufs Meer mitgenommen zu werden, auch wenn sie und ihr Kajak nur bedingt „seetüchtig“ sind?
Ich persönlich lasse solche „Seeanfänger“ (nicht jedoch Paddelanfänger) auf meinen Touren zu, auch wenn ihr Seekajak mit einer am Heck angebauten Steueranlage ausgerüstet ist, sofern sie neben einigen Ausrüstungsbedingungen (z.B. doppelte Abschottung, Schwimmweste, u.U. Schutzhelm, mind. Bugtoggle, griffige Rettungshalteleinen, Lenzpumpe, Nicosignal o. Rauchsignal, auf Deck montierter Kompass, auf Deck gelagerte Seekarte, u.U. Lesebrille, u.U. Kälteschutzj) u.a. die folgenden Bedingungen erfüllen:
• Teilnahme an einem 2-tägigen Workshop inkl. Rettungs- und Seitwärtssurfübungen im Hallenbad,
• Teilnahme an 2-tägigen Brandungsübungen,
• ca. 100 Paddel-Kilometer in den letzten 6 Wochen.
Bislang ist bei meinen seit 30 Jahren angebotenen Veranstaltungen kein anderer Mitpaddler durch diese „Tretbootfahrer“ zu Schaden gekommen. Vielleicht würde ich aber anders denken, wenn ein Schadensfall mal einträte und ich dann letztlich als Ausbilder/Fahrtenleiter zur Verantwortung gezogen werde, z.B. weil die Mitpaddler ja nicht ahnen konnten, welch „höhere Gewalt“ vom Wind oder von einer Brandungswelle ausgehen kann, oder weil ich einer Mitpaddlerin nicht deutlich genug darauf aufmerksam gemacht hatte, wie wichtig es ist, dass sie mit ihren Füßen auch die Steuerpedalen erreicht …
Gruß aus Hamburg: Udo Beier