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So wichtig ist das "passende" Boot / Vergleich Prijon Marlin und Kodiak (17 Antworten)

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Moin,

da ich gerade eine schwere Phase der Trennung und Trauer durchlebe (mein "altes" Boot ist verkauft und schon abgeholt, das Neue ist noch nicht da), habe ich gestern mal wieder das Boot meiner Frau gepaddelt. Sie hat sich für unsere gemeinsame Kanalrunde in ein altes Rennboot gesetzt (Stip-Yaks Kajett) und ich bin ihren Prijon Marlin (HTP) gefahren.

Der Marlin ist meinem verflossenen Kodiak in Vielem so ähnlich (Länge, Breite (+/- 1cm), Material, Kielsprung, Ausstattung, Form in der Draufsicht, Grösse und Form der "platten" Stelle unter dem Rumpf), dass viele nicht-Kajaker die Boote stets für identisch halten. Tatsächlich gibt es aber deutliche (und deutlich sichtbare) Unterschiede wie zB. die seitlichen Kanten an der Wasserlinie, das deutlich schlankere Vorschiff, die niedrigeren Decks und der scharf/schräge Bug des Marlins. Irgendwo müssen ja 60 Liter mehr oder weniger Volumen (immerhin rund 20%) herkommen.

Wenn ich mich recht entsinne, gab es mal einen Schleppversuch in einem niederländischen Wassertank (Uni Delft?), bei dem festgestellt wurde, dass Prijons Baracuda und Marlin bei 70 kg Beladung weit weniger an der Federwaage ziehen, als ganz viele andere (GFK) Seekajaks. Sie kamen sogar in die Top 10% der "Leichtläufer" (auch der Kodiak schaffte es noch ins Mittelfeld). Also dachte ich mir, der Marlin wird sich wie der Kodiak fahren - evtl ein wenig schneller - und mit den Kanten im Rumpf müsste man das Boot deutlich knackiger über die Hüfte steuern können.

Das mag alles wahr sein, wenn man 70 kg (oder irgendwo zwischen 50 und 90 Kg) wiegt. Für mich und meine Gewichtsklasse ist das aber grundfalsch.

Zunächst mal passe ich mit 1,96m und 115 kg noch gut ins Cockpit des Marlin. Für die Beinlänge gibt es überhaupt kein Problem, und der Hintern fühlt sich sofort wohl im gepolsterten Sitz. Die Luke könnte allerdings gern auch 10 cm länger sein (der Marlin hat ein Standard Keyhole mit nur 79cm Innenmass) und um stundenlang komfortabel zu sitzen, müsste ich die Schenkelstützen ausbauen. Ich hätte gern noch ein paar cm mehr Innenhöhe vorm Cockpit (um die Knie herum). Bei unserer gestrigen Fahrt hat es mich nicht gestört, aber bei drei oder vier Stunden im Boot wäre es mir lästig. Da die Sitzlehne im Marlin hinten am Süllrand anstösst (und nicht darunter wegklappt) kann ich auch nicht ewig weit nach hinten rutschen - es gibt für mich keine Chance die Beine im Cockpit sitzend aus dem Boot zu hängen - meine Oberschenkel sind zu lang, die Knie "kommen nicht raus". Das liesse sich ändern, wenn ich von der serienmässigen Lehne auf ein Rückenband wechseln würde, aber so weit wollte ich den Kahn meiner Frau für eine Sonntagsrunde nicht umbauen.

Der Marlin fühlt sich auf den ersten Metern um die Mitte herum (Anfangstabilität) etwas wackeliger an als der Kodiak, wird dann aber sehr schnell sehr fest. Während der Kodiak recht "weich" der Grenze seiner (End-) Stabilität entgegen krängt, kippt man im Marlin quasi ungehindert dem deutlich und "hart" spürbaren Punkt entgegen, an dem das Boot plötzlich einen festen Gegendruck bietet. Tolle Endstabilität - das muss wohl an den Kanten liegen, die der Kodiak nicht hat. Wenn man diesen Punkt also erst einmal gefunden hat, fühlt man sich sehr sicher und vertraut schon nach wenigen Minuten dem Boot. So weit, so gut.

Meine Frau paddelt eine deutlich bessere und effizientere Technik als ich. Sie im Marlin und ich im Kodiak waren meist die schnellsten in unserer "Wandergruppe", insbesondere bei Fahrten in Küstennähe, wo wir mit den Steueranlagen einen grossen Vorteil in Sachen Spurstabilität haben/hatten. Um mit Katrin mitzuhalten, musste ich mich auf dem Kanal stets anstrengen; wir zwei haben aber stets den Rest der Gruppe abhängen können (wenn wir das wollten). Gestern im Marlin war ich mit Abstand der langsamste Paddler unserer Vierergruppe. Ich hatte mühe, mich an einen 125kg schweren Paddler in einem 4.30m Necky Zoar Sport dranzuhängen. Zwar ist man nicht jeden Tag in gleich guter Form, aber so dermassen erbärmlich habe ich in den letzten vier Jahren genau NULL mal abgestunken.

Das Boot ist extrem lahmarschig, braucht Bärenkräfte, um auf eine normale Wandergeschwindigkeit zu kommen, und lässt sich zudem nur sehr, sehr unwillig über die Kante steuern. Was läuft falsch?

Ich denke, ich bin zu schwer für das Boot. Die benetzte Fläche nimmt bei meinem Gewicht wohl schon so sehr zu, dass sie sehr stark bremst. Da der Marlin nun tiefer im Wasser liegt, verändere ich den "Footprint" des Kajaks beim Kanten wohl weniger - oder zumindest nicht effizient - so dass der Kahn weiter geradeaus läuft. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die beiden hier besprochenen Boote ganz besonders deutlich zeigen, wie wichtig es ist, ein passendes Kajak für die eigene Gewichstklasse zu wählen. "Goldene Regeln" zur Berechnung des "passenden" Volumens, wie sie hier gelegentlich veröffenlicht werden, sind kompletter Quatsch und führen eventuell zu tragischen Fehlkäufen. Hätte ich vor Jahren solch einem Schwachsinn aufgesessen, wäre der Marlin quasi noch zu voluminös gewesen - und ich hätte nie erfahren, um wie viel besser und leichter man in einem passenden Kajak fährt. Die Tatsache, dass ich in den Marlin reinpasse, macht ihn noch längst nicht zu einem guten Boot für mich. Meine Frau allerdings liebt ihr Boot und fühlt sich darin pudelwohl. Sie empfindet allerdings auch unser altes Rennboot (5.20 * 0.55) als einfach zu fahren und "genauso stabil wie den Marlin" - ich weiss nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist ...

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